Kundenzufriedenheit in Zeiten des 9-Euro-Tickets

Das ÖPNV-Kundenbarometer 2022 untersucht wichtige Bereiche der „Customer Experience“ bei 42 Anbietern.
09 November 2022
Kundenzufriedenheit in Zeiten des 9-Euro-Tickets
Christian Jödden
Christian
Jödden

Director

Anselm Speich
Anselm
Speich

Senior Consultant

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Die Verkehrsmittel waren während des 9-Euro-Ticket-Zeitraums wieder gefüllt, die Zufriedenheit ist dabei allerdings größtenteils gesunken. Den Spitzenplatz bei der Globalzufriedenheit teilen sich 2022 die Dresdner Verkehrsbetriebe (DVB) und die Rostocker Straßenbahn AG (RSAG) mit einem Wert von 2,29. Auf dem dritten Platz liegt Innsbruck (IVB) mit einem Wert von 2,33. Gemessen wird die Zufriedenheit auf einer Skala von 1 (vollkommen zufrieden) bis 5 (unzufrieden).

Kantar untersucht seit mehr als 20 Jahren regelmäßig die Zufriedenheit der Fahrgäste mit dem öffentlichen Nahverkehr. Auf dieser Datengrundlage kann Kantar die Bewältigung der unterschiedlichen Herausforderungen der letzten Jahre durch den ÖPNV sehr gut im Zeitverlauf beurteilen. Mehr als 21.000 ÖPNV-Nutzerinnen und -Nutzer wurden 2022 während der Zeit des 9-Euro-Tickets von Juni bis August 2022 befragt. Mit gestiegenen Fahrgastzahlen ist die Zufriedenheit der Fahrgäste bei den meisten teilnehmenden Unternehmen 2022 leicht zurückgegangen. In den Pandemie-Jahren 2020 und 2021 konnte noch der gegenteilige Effekt gemessen werden: Geringere Fahrgastzahlen gingen mit steigender Zufriedenheit einher.

Insgesamt 42 Nahverkehrsanbieter beteiligten sich 2022 an dem ÖPNV-Kundenbarometer, der größten Vergleichsstudie für den ÖPNV. Es wurden über 21.000 Interviews telefonisch und online durchgeführt, um die Qualitätswahrnehmung der Fahrgäste zu ermitteln. 40 Leistungsmerkmale, die alle wichtigen Bereiche der „Customer Experience“ im ÖPNV abdecken, standen im Fokus der Untersuchung. Die Fahrgäste wurden nach ihrem Nutzungsverhalten und ihrer Zufriedenheit in den Kategorien Angebot, Tarif, Sicherheit, Verkehrsmittel, Haltestellen und Kundebeziehung befragt. Ein besonderes Augenmerk der Studie lag 2022 auf den Auswirkungen des 9-Euro-Tickets.

Laut den Mobilitätsexpertinnen und -experten bei Kantar beruhen die gestiegenen Fahrgastzahlen im Sommer 2022 vor allem auf Personen, die durch das 9-Euro-Ticket reaktiviert wurden. Das sind Personen, die in der Vergangenheit bereits den ÖPNV genutzt hatten, damit aber aus unterschiedlichen Gründen in den letzten Jahren aufgehört haben. Nur sehr wenige Fahrgäste wurden durch das Ticket-Angebot komplett neu an den ÖPNV herangeführt. Rund drei Viertel der neuen und reaktivierten Fahrgäste wollen auch langfristig den ÖPNV nutzen.

„Die Fahrgäste waren sehr zufrieden mit der Einfachheit des Ticketerwerbs und der unkomplizierten Nutzung des 9-Euro-Tickets“ stellt der Studienleiter Christian Jödden fest. Die Umsetzung des 9-Euro-Tickets durch die Verkehrsunternehmen wurde besonders positiv beurteilt. Jödden ergänzt: „Durch den verstärkten digitalen Vertrieb des 9-Euro-Tickets haben viele ÖPNV-Kunden positive Erfahrung mit dem Fahrkartenerwerb über das Smartphone gemacht.“ Die Zufriedenheit der Fahrgäste mit dem Handy-Ticket hat sich dadurch bei den meisten Unternehmen verbessert.

In diesem Jahr haben die Verkehrsexpertinnen und -experten bei Kantar den Studienansatz erweitert. Neben den aktiven ÖPNV-Nutzerinnen und -Nutzern wurden zusätzlich Personen befragt, die in den letzten Jahren aufgehört hatten, den ÖPNV zu nutzen, und die auch durch das 9-Euro-Ticket nicht zu einer erneuten ÖPNV-Nutzung motiviert werden konnten. Dadurch bekommen die Verkehrsunternehmen wertvolle Hinweise darauf, wie diese potenziellen Kundengruppen erreicht werden können. „Personen, die bei einem 9-Euro Ticketpreis den ÖPNV nicht nutzen, sind vom ÖPNV generell nicht überzeugt“ stellt Jödden fest. Anselm Speich, ÖPNV-Experte bei Kantar ergänzt, dass diese Personen „entweder anders schneller zum Ziel kommen oder generell ihre persönlichen Ziele mit dem ÖPNV schlecht erreichbar sind. Zudem ist für viele Nicht-Nutzerinnen und -Nutzer des ÖPNV ein wichtiger Grund den ÖPNV nicht zu nutzen, dass sie prinzipiell lieber mit dem Pkw fahren.“

Die Studienergebnisse des ÖPNV-Kundenbarometers 2022 zeigen außerdem in Bezug auf das bereits angekündigte 49-Euro-Ticket, dass ein breiter und nachhaltiger Effekt für den ÖPNV nur dann erzielt wird, wenn das Leistungsangebot weiter verbessert und ausgebaut wird.

Im Ranking der Verkehrsunternehmen bezogen auf die Globalzufriedenheit mit einem ÖPNV-Anbieter belegen die Dresdner Verkehrsbetriebe (DVB) und die RSAG aus Rostock mit einem Wert von jeweils 2,29 den Spitzenplatz. An dritter Stelle folgen die Innsbrucker Verkehrsbetriebe (IVB) mit 2,33, die ebenfalls an dieser Vergleichsstudie teilgenommen haben. An vierter Stelle der Verkehrsunternehmen liegen gleichauf mit 2,35 die Erfurter Verkehrsbetriebe (EVAG) und die VAG aus Freiburg.

Für die Umsetzung des 9-Euro-Tickets bekamen alle teilnehmenden Verkehrsunternehmen und Verbünde hervorragende Noten ausgestellt. Unter den sehr guten Urteilen lagen die Stadtwerke Neumünster (SWN Verkehr), die Stadtwerke Tübingen (TüBus) und die GöVB aus Göttingen auf den ersten drei Plätzen. Im deutschlandweiten Trend zeigt sich, dass die Zufriedenheit mit der Umsetzung des 9-Euro-Tickets vor allem dort besonders hoch ist, wo es ein breites ÖPNV-Angebot gibt.

Das Thema Corona ist weiterhin relevant im ÖPNV. Das ÖPNV-Kundenbarometer 2022 zeigt aber, dass die Menschen zum ÖPNV zurückkehren. Die Fahrgäste fühlen sich inzwischen wieder wohler, wenn sie den ÖPNV nutzen. Mit dazu beigetragen hat ein gutes Krisenmanagement der Verkehrsunternehmen. Hier hat sich insgesamt die Beurteilung gegenüber dem Vorjahr noch einmal leicht verbessert. Die besten Bewertungen für das Krisenmanagement erhalten Tübingen (TüBus), Neumünster (SWN Verkehr), Innsbruck (IVB) und Freiburg (VAG).

Das 9-Euro-Ticket hat dazu geführt, dass die Fahrgäste besonders kritisch auf das bisherige Tarifsystem jenseits des 9-Euro-Tickets schauen. Hier hat sich die Zufriedenheit gegenüber dem Vorjahr insgesamt verschlechtert. Das beste Urteil zum Tarifsystem erhält Hameln-Pyrmont (NHP) vor den Stadtwerken Hamm und Göttingen (GöVB).

Hinsichtlich Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit wurde die EVAG aus Erfurt auf den Spitzenplatz gewählt, gefolgt von der ÜSTRA (Hannover), IVB aus Innsbruck und Hameln-Pyrmont (NHP).

Auch im Jahr 2023 wird die Verkehrsforschung von Kantar das ÖPNV-Kundenbarometer erneut durchführen.

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