Dieser NPS kann doch gar nicht stimmen!

Der zentrale Marketing KPI entwickelt sich seit Jahren immer positiv - kann man diesen Zahlen überhaupt vertrauen?
30 März 2020
Dieser NPS kann doch gar nicht stimmen!
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Aaron Van der Plas saß an diesem Abend noch lange in seinem Büro und blickte über die Skyline von Frankfurt. Der CMO der niederländischen Zentralbank hatte sich im heutigen Meeting des Management Boards heftige Kritik anhören müssen. Die Zahl der Kündigungen bei der Zentralbank waren in den letzten Quartalen kontinuierlich gestiegen. Dabei hat sich der zentrale Marketing KPI, der Net Promoter Score (NPS), seit Jahren immer positiv entwickelt. Berechtigterweise musste er sich fragen lassen, ob man diesen Zahlen überhaupt vertrauen konnte.

Leider spiegelt dieses fiktive Szenario eine durchaus reale Situation wider. Immer wieder wird dem NPS zu viel Prognosequalität zugemutet. Aus Helikopterperspektive liefert das Maß mit Sicherheit eine gute Wasserstandsmeldung über Kundenloyalität oder Markengesundheit, andererseits ist es für prädiktive Modelle oft nur wenig geeignet. Insbesondere bei Churn-Modellen konnten wir dies wiederholt feststellen.

Dieser NPS kann doch gar nicht stimmen!
Kündigungen sind immer ein Prozess – sozusagen eine „Churn Journey“

Detraktoren sind nicht automatisch Kündiger

Detraktor, also Kunden, die auf der dem NPS zugrunde liegenden 11stufigen Weiterempfehlungsskala die Werte 0-6 angeben, sind eine sehr heterogene Personengruppe. Darin finden sich „kritische Anspruchsvolle“ ebenso wieder, wie „kurzfristig Enttäuschte“, aber eben auch „Verärgerte“. Die Untersuchung von tausenden von Kündigungsfällen zeigt wenig überraschend, dass es sich bei Kündigungen immer um einen Prozess handelt; sozusagen eine „Churn Journey“. Erst die Summe vieler kleiner Ereignisse veranlassen einen Kunden, zu kündigen. Der Normalfall ist, dass Kunden nicht kündigen wollen, z.B. um Umstellungskosten zu vermeiden. Erst wenn, umgangssprachlich das Maß voll ist, überwiegt der Ärger und überkompensiert die Unbequemlichkeit.

Methodisch beobachten wir dabei häufig, dass Kunden auf der NPS-Skala von beispielsweise einer Fünf erst auf eine Drei rutschen, später auf eine Zwei oder sogar eine Null. Dann ist es für das Marketing oft zu spät, noch einzugreifen. Der Kündigungsentschluss ist gefasst. Dummerweise sieht man diesen Prozess nicht im NPS, denn der Kunde war und bleibt ja Detraktor. Und wenn es das Marketing gleichzeitig schafft, andere Kundengruppen von „Neutralen“ zu „Promotoren“ zu entwickeln, dann kann es durchaus sein, dass der NPS steigt, die Kündigungen allerdings auch!

Null ist oft zu viel

Eine weitere Beobachtung ist, dass selbst Kunden, die auf der NPS-Skala eine Null angeben, ebenfalls durchaus heterogen sind. Nicht jeder dieser Kunden steht wirklich vor dem Absprung. Erst durch den Einbezug anderer Variablen kann ein Churn-Modell geschärft werden. Je nach Branche zeigen sich ganz konkrete Auslöser für die Null, die in Kombination eine hohe Churn-Wahrscheinlichkeit nach sich ziehen. Dabei sind nicht immer die üblichen Verdächtigen, wie klassische Hygienefaktoren, die wesentlichen Treiber. Vielmehr kann man sich das Ganze wie eine „Unbequemlichkeits-Bilanz“ vorstellen. Wenn der Kunde durch Probleme selbst Maßnahmen ergreifen muss (einen extra Gang zur Post, Anrufe im Call-Center, vermehrtes Überprüfen, ob eine Zahlung angekommen ist, etc.), dann erscheint der Mehraufwand einer Kündigung nicht mehr so schlimm.

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Die Integration von Daten UND Teams ist ein zentraler Erfolgsfaktor

Wie Churn richtig prognostizieren?

Der voranstehende Beitrag soll nicht den NPS diskreditieren. Wir wollen letztlich nur auf dessen Limitationen hinweisen. Wenn man ein Prognosemodell für Churn aufstellen möchte, ist dieses Messinstrument einfach nicht granular genug. Vielmehr empfehlen wir, alle Abteilungen, die Daten über den Kunden haben, an einen Tisch zu bekommen, um mit ihnen einen Data Audit Workshop durchzuführen. In all den Daten aus Marketing, Vertrieb, Controlling, Kundenservice steckt ein kleiner Beitrag, der die Churn-Wahrscheinlichkeit erklären kann. Viele davon sind gute Frühwarnindikatoren, die mit geeigneten statistischen Verfahren gehoben werden können. Die Integration nicht nur dieser Daten, sondern auch der Teams ist ein zentraler Erfolgsfaktor für solche Programme. Nur wenn jeder ein Teil ist, gibt es keine Herrschaftsbereiche oder Reaktanzen. Im Gegenteil sehen wir hingegen häufig eine Begeisterung und Neugier, welche der „eigenen“ Daten welchen Beitrag leisten, wenn alle Datenlieferanten im Team integriert sind. Auf diesem Weg kann ein geeignetes System aufgebaut werden, das wirklich prädiktive Qualität hat. Leuchten dann erste Warnleuchten auf, gibt es oft noch eine Chance umzusteuern.

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