Wenn Konzertveranstalter, Clubs, Radiosender und Streamingdienste bei der Auswahl ihrer Künstler verstärkt auf die Ausgeglichenheit der Geschlechter achten, dürften sie künftig auch wirtschaftlich davon profitieren. Das geht aus der Studie zur „Geschlechtervielfalt in der Musikwirtschaft und Musiknutzung“ hervor, die von der Initiative Keychange beauftragt wurde.
Die von Kantar durchgeführte Studie wurde gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) und unterstützt von der MaLisa-Stiftung, gegründet von der Schauspielerin Maria Furtwängler und ihrer Tochter Elisabeth Furtwängler. Schwerpunkt der Untersuchung ist der Stand der Geschlechtervielfalt in den Teilmärkten der deutschen Musikkultur und Musikwirtschaft. Neben der quantitativen und qualitativen Befragung von Akteurinnen und Akteuren der Musikwirtschaft zu den Themen Chancengleichheit, geschlechtsspezifische Barrieren, Maßnahmen zur Förderung von Geschlechtergleichstellung sowie Geschlechtervielfalt in der Musikvermarktung wird auch die Relevanz von Geschlechtergleichheit auf die Nutzung von Musikangeboten aus Sicht von Konsumentinnen und Konsumenten betrachtet.
Kritische Bewertung der Chancengleichheit von Männern und Frauen
Frauen und Männer bewerten die Chancengleichheit sehr unterschiedlich. Frauen sind hier deutlich kritischer. Nur ca. jede siebte Frau in der Stichprobe ist der Ansicht, dass Frauen und Männer gleiche Chancen haben. Auch hat nahezu jede der befragten Frauen aus der Musikwirtschaft schon einmal diskriminierende Erfahrungen in Bezug auf ihr Geschlecht erlebt. Frauen sehen sich deutlich stärker als Männer mit Barrieren, z.B. durch Vorurteile, in ihrer beruflichen Weiterentwicklung konfrontiert. Zudem werden Frauen systematisch aus männlich dominierten Netzwerken ausgeschlossen, was ihnen den Zugang zu Informationen und Einfluss auf Entscheidungen erschwert. Das alles wirkt sich nachteilig auf die Karrieren von Frauen in der Musikwirtschaft aus.
Das Thema Geschlechtervielfalt ist bei der Mehrheit der Musikkonsumentinnen und -konsumenten noch nicht angekommen
Etwa jede*r Fünfte achtet derzeit bewusst auf die Repräsentation von Frauen und abinären Personen in der Musik und berücksichtigt dies auch bei Kaufentscheidungen. Hier sind aber deutliche Unterschiede in den Altersgruppen zu bemerken. Vor allem bei jüngeren Konsumentinnen und Konsumenten im Alter von 16 – 29 Jahren spielt die Geschlechtervielfalt eine wichtigere Rolle. In Zukunft wird dieses Thema voraussichtlich an Bedeutung gewinnen: Jede*r Dritte wünscht sich, dass Geschlechtervielfalt stärker in der Öffentlichkeit thematisiert wird, bei den Jüngeren sogar fast jede*r Zweite. Auch in der Musikwirtschaft ist die Mehrheit der Akteurinnen und Konsumenten der Ansicht, dass sich Geschlechtervielfalt positiv auf die Qualität und die Vermarktung von Musikprodukten auswirkt. Etwa jede*r Dritte spürt gegenwärtig einen Nachfragedruck von Musikkonsument*innen im Hinblick auf Geschlechtervielfalt. Auf diesen Nachfragedruck muss die Musikwirtschaft reagieren, denn die Verantwortung, das Thema Geschlechtervielfalt voranzutreiben, sehen die Konsumentinnen und Konsumenten vor allem bei der Musikwirtschaft selbst, viele sind aber auch bereit selbst verstärkt auf die Geschlechtervielfalt bei ihrem Musikkonsum zu achten.
Mehr Sichtbarkeit für Frauen und Geschlechterminderheiten
Die Studienergebnisse zeigen, dass Handlungsbedarf in der Musikwirtschaft besteht. Es ist essenziell, dass mehr Sichtbarkeit für Frauen und Geschlechterminderheiten in der Musikwirtschaft geschaffen wird und Chancen eröffnet werden. Eine Quotenregelung bei Konzerten/Festivals, aber auch bei Führungspositionen, kann ein wirksames Instrument sein, mehr Gleichberechtigung zu erreichen. Empirische Beispiele belegen, dass dort, wo Quoten eingeführt wurden der Frauen-Anteil entsprechend steigt. Auch Mentorings und weibliche Netzwerke werden als sinnvoll erachtet. Um den Ausschluss von Frauen aus den bestehenden, männlich dominierten Netzwerken zu beenden, werden weibliche Netzwerke vermutlich nicht ausreichen. Gemischte Netzwerke aus Männern und Frauen erscheinen eher zukunftsweisend.
Diese möglichen Maßnahmen erfordern ein Umdenken und eine höhere Risikobereitschaft von den Akteurinnen und Akteuren in der Musikwirtschaft. Es ist zudem davon auszugehen, dass auch in der Musik der Druck der nachwachsenden Generationen von Musikkonsumentinnen und -konsumenten steigen wird, etwas zu verändern und eine größere Vielfalt anzubieten. Letztlich ist es an der Musikwirtschaft selbst, die Sichtbarkeit für Geschlechtervielfalt auch nach außen in der Vermarktung zu schaffen, indem entsprechende Musikprodukte angeboten, Quotenregelungen auf den Weg gebracht und Selbstverpflichtungen unterzeichnet werden. Konsumentinnen und Konsumenten allein können das nicht schaffen, da es momentan noch schwierig ist, den Kauf bzw. die Rezeption von Musikprodukten an ausgewogener Geschlechtervielfalt auszurichten.
Weitere Ergebnisse der Studie können hier eingesehen werden:
https://www.reeperbahnfestival.com/de/info/keychange/keychange-studie