Die globale Perspektive

Harmonisierte internationale Marktforschungs-Daten erlauben es, weltweit Zielgruppen zu analysieren – und den eigenen Markt besser zu verstehen.
17 Januar 2023
Male Female Gamer
Deborah Kirner
Deborah
Kirner

Head of TGI Germany, Media Division

Kontaktieren Sie uns

Zielgruppen-Informationen für 35 Länder aus einer einheitlichen Quelle – das liefert die Studie TGI Global Quick View von Kantar. Deborah Kirner erläutert, welchen Wert diese Daten haben, nicht nur für globale Marken.

Wir leben in einer globalisierten Wirtschaft. Diese einfache Tatsache hat viele Auswirkungen auf Unternehmen. Manche agieren selbst global und verkaufen ihre Produkte in vielen Ländern der Welt. Doch selbst die Firmen, die sich eher auf das nationale Geschäft fokussieren, sind oft abhängig von internationalen Trends und den Entwicklungen in anderen Ländern. Und E-Commerce kennt meist keine Grenzen – die Kunden von Online-Shops kommen von überall her. Vor diesem Hintergrund sind Daten und Erkenntnisse über die Konsumenten auf globalen Level in vielerlei Hinsicht wertvoll. Zum einen müssen multinational agierende Marken ihre Zielgruppen in vielen Ländern ansprechen. Unternehmen, die expandieren möchten, benötigen Konsumentendaten, um zu entscheiden, in welchen Regionen der Welt sie aktiv werden sollen. Andere Unternehmen sind an Trends interessiert, die sich globalen Daten zeigen: Einkaufsverhalten, Ernährung, Technologie, Kommunikation, Mediennutzung und Freizeitverhalten – überall findet man in anderen Ländern Tendenzen, die früher oder später den heimischen Markt erreichen werden. Der Vergleich verschiedener Länder ist dabei hilfreich, um das eigene Land zu verstehen. So gibt es in einigen Bereichen Vorreiter-Länder, in denen bestimmte Entwicklungen schon weit fortgeschritten sind, während andere Staaten hinterherhinken. Betrachtet man das globale Gesamtbild, kann man die Entwicklungsstufe des Heimmarktes identifizieren. Früher galten die USA als das Trend-Land, auf das man schauen musste. Heute hat sich die Lage geändert – in bestimmten Bereichen sind andere Länder viel interessanter. Wenn es um Digitalisierung und Kultur geht, gehen heute die Blicke eher nach Südostasien – Japan, Singapur, Südkorea. Übrigens ist der Blick über den eigenen Tellerrand gerade für Business-to-Business wichtig, denn das Konsumverhalten in Wachstumsmärkten wie China oder Indien determiniert den Bedarf für viele Investitionsgüter. Wer hier den Wettbewerbern mindestens einen Schritt voraus sein möchte, muss die Kunden seiner Kunden verstehen, wo immer sie leben.

 

Der globale Überblick

So wichtig internationale Marktforschungs-Daten sind, so schwierig ist es, sie zu bekommen. In jedem Land existieren wertvolle Studien, die oft jedoch methodisch und inhaltlich sehr verschieden sind, damit sie den lokalen Ansprüchen gerecht werden. Daher ist es zusätzlich relevant, harmonisierte Daten auf globaler Ebene zu erheben, die möglichst viele Länder umfassen und mit einem einheitlichen Fragebogen erhoben werden. So lassen sich Vergleiche einfach vornehmen, welche die interkulturellen Gemeinsamkeiten und Unterschiede aufzeigen. Die Digitalisierung der letzten zwei Jahrzehnte hat die Aufgabe, solche Daten zu erheben, glücklicherweise sehr vereinfacht.

Der Pionier solcher internationalen Forschung ist die große repräsentative Konsumenten-Studie TGI (die Buchstaben stehen für „Target Group Index“). Ursprünglich in Großbritannien gestartet, gibt es TGI-Studien in vielen Ländern weltweit, übrigens auch in Deutschland, als Einzelländerstudie oder als Teil der Mehr-Länder-Untersuchung „TGI Europa“. Wir bei Kantar haben aber in den vergangenen Jahren bemerkt, dass viele TGI-Kunden in einer globalisierten, digitalisierten Welt neue Bedürfnisse haben, für die die ursprünglichen TGI-Studien zu umfangreich sind. Die TGI-Einzelländerstudien bilden adäquat und in aller Tiefe die Besonderheiten des jeweiligen Marktes ab. Eine solche Informationstiefe ist aber bei der Beobachtung von Trends gar nicht so ausschlaggebend – wesentlicher ist es, eine Vergleichbarkeit in einigen Kern-Branchen und dem allgemeinen Medienverhalten in einer strikt einheitlichen Weise für möglichst viele Märkte zu erheben. Deshalb bietet Kantar seit einigen Jahren zusätzlich auch die Studie TGI Global Quick View an.

 

Eine Quelle für 35 Länder

TGI Global Quick View liefert harmonisierte Daten für 35 Ländern, basierend auf einer Online-Umfrage, die einmal jährlich stattfindet – die Ergebnisse der aktuellen Welle erscheinen im Januar 2023. Die Grundgesamtheit ist dabei nicht die Gesamtbevölkerung, sondern diejenigen Menschen, die das Internet in ihrer Freizeit mindestens einmal die Woche nutzen. Die Fokussierung auf die internet-affinen Bevölkerungsteile sollen Trends besser und schneller erkennbar machen. Gerade für die dynamischen Bereiche wie E-Commerce, Medien oder digitale Services (von Streaming bis zum Gaming) ist dieses Segment aussagekräftiger als die Gesamtbevölkerung. In einigen sehr großen, aber heterogenen Märkten wie Indien oder China wird – wie in der Marktforschung dieser Länder üblich – nur die städtische Bevölkerung erfasst. Insgesamt werden pro Jahr etwa 85.000 CAWI-Interviews in der Landessprache geführt (in mehrsprachigen Ländern gibt es selbstverständlich verschiedene Sprachversionen). Die Daten werden anhand von repräsentativen Studien oder Zensus-Daten des jeweiligen Landes gewichtet. Die Ergebnisse sind somit repräsentativ für 1,5 Mrd. wöchentliche Internet-Nutzer im Alter von 16 bis 65 Jahren. Kunden der TGI Global Quick View Studie können die Daten mit dem eigens entwickelten graphikbasierten Auswertungs-Tool „TGI Snapshot“ oder der bekannten TGI Choices Online Software analysieren.

 

Zielgruppen global profilieren

Der Fragebogen der TGI Global Quick View Erhebung geht verständlicherweise nicht in die Tiefe, sondern in die Breite, um möglichst viele relevante Trends in Konsum, Medien und Freizeit abzubilden. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf dem Umgang mit dem Internet und digitalen Medien, inklusive Social Media, Online-Shops, Streaming-Diensten und Gaming. Klassische Produktbereiche – von Autos bis Technik – werden ebenfalls abgefragt, inklusive der Verwendung vieler international agierender Marken. Hinzukommt die Nutzung klassischer Medien, soziodemografische und psychografische Zielgruppenmerkmale, Freizeitverhalten und Einstellungen zu aktuellen Themen, wie etwa Nachhaltigkeit oder Covid-19. Zudem sind einige Typologien bereits vordefiniert und als Variablen enthalten, basierend auf unterschiedlichen Ansätzen wie Wertorientierungen, Persönlichkeitspsychologie oder sozioökonomischem Status.

 

Gamerinnen – ein internationaler Trend

Als Beispiel für die Datenabdeckung haben wir uns das Trendthema Gaming angeschaut, mit einem besonderen Augenmerk auf weibliche Spiele-Fans. Noch immer existiert in vielen Köpfen das Vorurteil, Computer-Spiele wären eine „typische“ Freizeitbeschäftigung von männlichen Teenagern und jungen Männern.

Wieviele Frauen spielen weltweit Computerspiele

Schaut man sich die aktuellsten Zahlen der TGI Global Quick View 2023 an, so relativiert sich diese Vorstellung: Zugegeben, 81 Prozent der befragten männlichen Online-Nutzer im Alter von 16 bis 65 Jahren spielen Computer- oder Online-Games. Doch bei den Frauen sind es immerhin 70 Prozent, also immer noch eine klare Mehrheit. Natürlich ist das nicht in allen Ländern gleich. Spitzenreiter mit über 80 Prozent Gamerinnen-Anteil bei den weiblichen Befragten sind Indonesien und China, gefolgt von anderen Ländern überwiegend Südostasien. Die westlichen Länder, in denen das Internet in der gesamten Bevölkerung verbreitet ist und das Profil der wöchentlichen Internet-Nutzer deshalb näher am Bevölkerungs-Durchschnitt liegt, sind eher im unteren Drittel zu finden. Schlusslicht bildet überraschend Japan, das Mutterland der Computer-Spiele – hier sind trotz aller Modernität in technischen Dingen immer noch sehr klassische Geschlechterrollen in der Gesellschaft verankert. In Deutschland spielen aber immer noch die Hälfte der befragten Frauen Computer-Spiele. Dass es da noch Entwicklungsmöglichkeiten gibt, lehrt ein Blick auf die USA, wo der Wert bei 66 Prozent liegt.

Wieviele der Männer und Frauen spielen Computerspiele

Es sind besonders die jungen Frauen im Alter von 16 bis 24 Jahren, die sich für Computer-Spiele begeistern können – Dreiviertel der weltweit befragten Frauen dieser Altersgruppe sind Gamerinnen. 29 Prozent der deutschen Computer-Spielerinnen geben bei der Befragung an, täglich mindestens zwei Stunden Zeit damit zu verbringen. Damit liegen sie international gesehen unter dem Durschnitt, der in der EMEA-Region bei 38 Prozent liegt, in den anderen Weltregionen bei 42 bis 50 Prozent. Daraus lässt sich schließen, dass selbst das exzessive Spielen keine reine Männer-Domäne bleibt, sondern gerade bei jungen Frauen zunehmend als etablierte Freizeitbeschäftigung angesehen und mehr und mehr Teil der Alltagskultur wird. Dass zeigen im Übrigen auch andere Informationen aus dem umfangreichen Datensatz der TGI Global Quick View (z. B. zum Thema eSport), auf die hier nicht weiter eingegangen werden kann. Da gerade die Popkultur aus Südostasien (insbesondere Süd-Korea) bei jungen Menschen im Westen beliebt ist, können wir davon ausgehen, dass die Zahl der Gamerinnen in Deutschland weiter wachsen wird.

Heavy user gamerinnen

Ein Blick in die Zukunft

An diesem Beispiel kann man sehen, dass Marktforschungs-Daten auf globaler Ebene das Verständnis von Trends auch im eigenen Land fördern. Weibliche Gamer scheinen hierzulande als Randphänomen, international gesehen sind sie aber eine mächtige Zielgruppe. Es ist davon auszugehen, dass in Deutschland die Zahl der Gamerinnen noch wachsen wird. Die hier verwendeten Daten erlauben nun, die bereits vorhandenen Gamerinnen zu profilieren –anhand von Einstellungen, Freizeit, Werten oder Persönlichkeitsmerkmalen. Außerdem kann eine detaillierte Analyse der bereits fortgeschritteneren Märkte helfen, das künftige Potenzial abzuschätzen und sich auf die wachsende Zielgruppe einzustellen. Aus diesen Daten lassen sich Insights für das Marketing ableiten (etwas Maßnahmen in Feld des Ingame-Advertising oder Sponsoring-Maßnahmen rund um eSports), anschauliche Personas erstellen oder Potenziale für internationales Neugeschäft schätzen. Ein Blick über den nationalen Tellerrand ist oft gleichzeitig ein Blick in die nähere Zukunft.

 

Kontaktieren Sie uns