Deutschland-Ticket bringt neuen Schwung in den ÖPNV

Ergebnisse des 25. ÖPNV-Kundenbarometer von Kantar
04 Oktober 2023
25. ÖPNV-Kundenbarometer: Deutschland-Ticket bringt neuen Schwung in den ÖPNV
Christian Jödden
Christian
Jödden

Director

Anselm Speich
Anselm
Speich

Senior Consultant

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  • Großteil der Befragten hoch zufrieden mit Deutschland-Ticket
  • Nutzung offenbart starkes Stadt-Land-Gefälle
  • Kosten und überregionale Freizügigkeit sind Hauptgründe für Erwerb
  • Kritik an Form des Angebots und uneinheitlichen Bedingungen vor Ort

Das weltweit führende Unternehmen für Marketingdaten und -analysen, Kantar, untersucht mit dem jährlichen ÖPNV-Kundenbarometer bereits zum 25. Mal die Zufriedenheit von Fahrgästen ab 16 Jahren mit dem öffentlichen Nahverkehr. Aufbauend auf ihre langjährige Erfahrung beurteilen und deuten die Mobilitätsexpertinnen und -experten bei Kantar anhand der Umfrageergebnisse Entwicklungen und Trends im ÖPNV. Am ÖPNV-Kundenbarometer 2023 haben 42 Verkehrsunternehmen und Verkehrsverbünde teilgenommen, um die Zufriedenheit und ÖPNV-Nutzung ihrer Kundinnen und Kunden zu untersuchen. In diesem Jahr lag ein besonderer Fokus auf dem Deutschland-Ticket. Dieses, so lässt sich bereits jetzt absehen, wurde von Fahrgästen im ÖPNV sehr gut angenommen.

Ein Element des ÖPNV-Kundenbarometers ist eine deutschlandweite repräsentative Erhebung zur ÖPNV-Nutzung. Die Ergebnisse dieser Basiserhebung zeigen, dass 30 Prozent der Personen, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren, bereits zum Startpunkt des Angebots im Mai ein Deutschland-Ticket erworben hatten. Weitere elf Prozent haben den festen Plan, 2023 zumindest in einzelnen Monaten das Deutschland-Ticket zu nutzen. Dazu kommen 23 Prozent, die dem Deutschland-Ticket insgesamt offen gegenüberstehen. Diese Gruppe wägt aber noch ab, ob sie das Ticket erwerben wollen.

Unterschiedlicher Ausbau des ÖPNV-Angebots in den Regionen

Das ÖPNV-Angebot ist in Deutschland sehr unterschiedlich ausgebaut. Das fällt vor allem im Vergleich von städtischen und ländlich geprägten Regionen auf. In Metropolen mit mehr als 500.000 Einwohner*innen nutzen rund 33 Prozent der Bevölkerung ab 16 Jahren täglich oder fast täglich den ÖPNV. In ländlichen Gebieten und Umlandregionen nutzt nur rund jede siebte Person ab 16 Jahren täglich den ÖPNV.

Unter den regelmäßigen Nutzerinnen und Nutzern des ÖPNV ist das Deutschland-Ticket ein klarer Erfolg. In den Metropolregionen hatten 39 Prozent der Personen, die den ÖPNV prinzipiell nutzen, bereits im Mai ein Deutschland-Ticket gekauft. Aber auch mehr als 25 Prozent der ÖPNV-Nutzerinnen und -Nutzer in den Umlandregionen waren bereits im Mai im Besitz eines Deutschland-Tickets.
Annika Pfister, Projektleiterin bei Kantar im Bereich Mobility, kommt daher zu folgendem Schluss: „Die Nutzung des Tickets auch in den ländlicheren Regionen zeigt, dass das Deutschland-Ticket immer dann attraktiv ist, wenn die Menschen vor Ort ein ÖPNV-Angebot vorfinden, das zu ihrem Bedarf passt.“

Gründe für den Kauf des Deutschland-Tickets

Die Fahrgäste entscheiden sich aus drei verschiedenen Gründen für das Deutschland-Ticket: Zum einen ist es eine ökonomisch rationale Entscheidung. In vielen Regionen ist das Deutschland-Ticket mit einem Verkaufspreis von 49 Euro pro Monat günstiger als vorher genutzte Ticketangebote. Personen, die den ÖPNV regelmäßig nutzen, können gut einschätzen, ob das Deutschland-Ticket für sie persönlich sinnvoll ist. Diese planen dann auch zu einem Großteil das Deutschland-Ticket dauerhaft, also 12 Monate pro Jahr zu nutzen.

Ein zweiter wichtiger Grund für das Deutschland-Ticket-Angebot ist die Möglichkeit, den ÖPNV außerhalb der eigenen Region nutzen zu können. Dies bezieht sich vor allem auf Wege und Fahrten, die zu Freizeitzwecken und zu touristischen Anlässen unternommen werden. Vor allem für Personen, die nicht regelmäßig mit dem ÖPNV unterwegs sind, ist dies ein wichtiger Faktor, das Ticket zu erwerben. Diese Personen kaufen das Ticket verstärkt gezielt für einzelne Monate, um es dann wieder zeitnah zu kündigen.

Die ersten beiden Gründe beziehen sich auf rationale und finanzielle Abwägungen, um die ÖPNV-Nutzung preislich zu optimieren. Der dritte relevante Grund für den Erwerb des Deutschland-Tickets ist die erlebte Freiheit, öffentliche Verkehrsangebote uneingeschränkt nutzen zu können, ohne sich beispielsweise mit Tarifzonen und Ticketoptionen auseinandersetzen zu müssen.

Zwei wichtige Erkenntnisse aus der Befragung formuliert Christian Jödden, Abteilungsleiter Mobility bei Kantar in München: „Das ÖPNV-Kundenbarometer zeigt, dass die Fahrgäste sehr genau hinschauen, ob sich das Deutschland-Ticket für sie finanziell lohnt. Sie entscheiden dann, ob sie dauerhaft oder in einzelnen Monaten das Deutschland-Ticket nutzen“. Jödden führt zudem an: „Neben den finanziellen Aspekten transportiert das Deutschland-Ticket aber auch ein Gefühl der Freiheit. Das Wissen, immer ein gültiges Ticket dabei zu haben und sich nicht um Tarifzonen und andere Regeln kümmern zu müssen, ist ein wichtiger Grund für den Erfolg des Deutschland-Tickets.“

Verteilung der Bezugsarten

Das Deutschland-Ticket wird größtenteils bei den ÖPNV-Anbietern vor Ort (39 Prozent) erworben. Ein weiterer wichtiger Bezugspunkt ist die Deutsche Bahn mit 26 Prozent. Nur gut zwei Prozent kaufen das Deutschland-Ticket bei Verkehrsunternehmen und Verkehrsverbünden aus anderen Regionen. Das restliche Drittel teilt sich auf zentral angebotene Websites, Apps und andere Verkaufsoptionen auf.

Die häufigste Bezugsart des Deutschland-Tickets sind digitale Angebote mit rund 60 Prozent. Dazu kommen elf Prozent Papier-Tickets und 22 Prozent Chip-Karten. Der Rest verteilt sich auf Ticket-Optionen, die teilweise lokal als Übergangslösung angeboten werden. Beim Anteil der Chip-Karten gibt es große regionale Unterschiede. Das lässt sich zum Teil dadurch erklären, dass die lokalen Ticket-Angebote im ÖPNV vor dem Deutschland-Ticket sehr unterschiedlich waren und die Fahrgäste in einigen Regionen viel Nutzungserfahrung mit Chip-basierten Karten haben.
Der Kauf oder die Erwägung zum Kauf eines Deutschland-Tickets wirkt sich auf das Fahrverhalten mit dem ÖPNV aus. 56 Prozent der Befragten geben an, dass sich ihr Fahrverhalten durch den Kauf des Deutschland-Tickets verändert hat bzw. voraussichtlich verändern wird. Am stärksten macht sich dies durch eine zusätzliche Nutzung des Regionalverkehrs mit Bahnen und Bussen bemerkbar sowie durch die ÖPNV-Nutzung jenseits des eigenen Wohnortes.

Innerhalb des Gebietes des eigenen Verkehrsunternehmens oder -verbundes vor Ort zeigt sich verändertes Fahrverhalten dadurch, dass verstärkt Wege mit dem ÖPNV unternommen werden, für die vorher andere Verkehrsmittel genutzt wurden. Zudem sehen die Expertinnen und Experten von Kantar, dass durch das Deutschland-Ticket Wege unternommen werden, die vorher nicht stattgefunden haben.

„Mit der Umsetzung des Deutschland-Tickets durch die Verkehrsunternehmen bzw. -verbünde sind die ÖPNV-Nutzerinnen und -Nutzer sehr zufrieden“, resümiert Anselm Speich, ebenfalls Projektleiter bei Kantar im Bereich Mobility. Er ergänzt: „Beim 9-Euro-Ticket hingegen waren die Leute vor einem Jahr nahezu begeistert. Das Deutschland-Ticket ist im Vergleich nicht so einfach zu erwerben und nicht so unkompliziert wie sein Vorgänger. Den Deutschland-Ticket-Kauf muss man vorab planen, man muss gegebenenfalls rechtzeitig kündigen, und es gibt zudem je nach Anbieter unterschiedliche Zusatzleistungen.“

Kritik und Gründe für Nichtnutzung

Es gibt allerdings auch Kritik am Deutschland-Ticket. Zum einen wird die Form des Angebots kritisiert, da das Deutschland-Ticket vor allem digital und als Abo angeboten wird. Zum anderen wird auch das inhaltliche Angebot kritisiert. Hier geht es vor allem um uneinheitliche Bedingungen und regional unterschiedliche Zusatzleistungen, wie beispielsweise Mitnahmeregelungen.
Insgesamt zeigt sich, dass das Deutschland-Ticket bei den Kundinnen und Kunden gut bewertet wird. Das Ticket ist „eine gute Sache“. Die Zustimmung der Befragten zu dieser Aussage führt das Stimmungsbild hinsichtlich des Deutschland-Tickets an. Außerdem erhalten die folgenden Statements zum Deutschland-Ticket ein hohes Maß an Zustimmung: „Gut für die Umwelt“, „zeitgemäß“, „eine gute Ergänzung zum aktuellen Ticketangebot“ sowie „ein Angebot für alle“.

Die Gründe für die Nichtnutzung des Deutschland-Tickets liegen vor allem in persönlichen Präferenzen bei der Mobilität. Ein wichtiges Argument ist, dass der ÖPNV aus diversen Gründen einfach nicht häufig genug genutzt wird. Weitere wichtige Gründe sind die Bevorzugung eines anderen Tickets/Abos sowie der Hinweis, dass für die eigene Mobilität kein deutschlandweites Ticket benötigt wird.

Über das ÖPNV-Kundenbarometer

Das ÖPNV-Kundenbarometer erfasst jährlich die Zufriedenheit der Fahrgäste ab 16 Jahren mit dem öffentlichen Nahverkehr. 2023 umfasst die Studie insgesamt über 24.000 repräsentative Telefon- und Online- Interviews mit Nutzerinnen und Nutzern von ÖPNV-Verkehrsmitteln, die in insgesamt 42 Bedienungsgebieten von Verkehrsverbünden und Verkehrsunternehmen erhoben wurden. Die Fahrgäste wurden unter anderem nach ihrem Nutzungsverhalten und ihrer Zufriedenheit mit insgesamt bis zu 40 Leistungsmerkmalen befragt.

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